Anfang April 1945 erfaßte das Dorf eine große Unruhe, man hörte dumpfe Geräusche, wie immer wiederkehrenden Donner. Das Gerücht ging um, die Amerikaner kommen.Keiner hatte eigentlich an so eine Situation gedacht. Plötzlich kam die Nachbarin und sagte, wir gehen in den Wald, es wird geschossen werden, wir müssen uns verstecken. Da fast keine Männer mehr im Dorf waren, machte sich eine große Verunsicherung breit. Was tut man in so einer Lage? Ich glaube, es ist ein menschlicher Urinstinkt, sich in gefährlichen und bedrohlichen Situationen zu verstecken. Im Wald ist es dunkel und durch die dichten Bäume ist man gewissermaßen beschützt. Ich als Kind hatte große Angst in den Wald zu gehen und vielleicht unter freiem Himmel zu schlafen. Was nimmt man mit, was braucht man, wie lange bleibt man im Wald, wie wird es weiter gehen? Was wird geschehen, wenn die Amerikaner in unserem Dorf sind? Familie Janik hatte schon Erfahrungen mit Flüchten und sich Verbergen müssen. Sie riet uns, alle wertvollen Gegenstände zu vergraben. Es stellte sich heraus, wir hatten weder wertvollen Schmuck und Edelmetalle noch silberne Schalen oder Möbel aus edlem Holz. Um wenigstens etwas in die Erde des Gemüsegartens zu vergraben, haben wir uns entschlossen, die Wintermäntel und die Winterstiefel in eine Kiste zu verpacken und die Kiste zwischen den Rhabarberstauden in die Erde zu vergraben. Eine andere Art, Lebensmittel über Jahre genießbar zu erhalten, war das Versenken eines ganzen Sackes Mehls in einen Brunnen. Dieser Ratschlag kam ebenfalls von der estnischen Familie. Wir haben es getan, in dem wir den Sack mit Mehl im Hauskeller in eine Trinkwasserquelle versenkten. Alle Hausbewohner nahmen an dieser Aktion teil, man konnte es ja kaum glauben, dass das Mehl noch nach Jahren zu gebrauchen sein sollte. Ein Handwagen mit Bettzeug und Decken, Bekleidung für Regen und Esswaren für eine Woche waren aufgeladen worden. Der gepackte Handwagen stand in der Scheune, jederzeit konnte er geholt werden und wir verschwanden in den Wald.
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