Bis jetzt lief immer noch der Ortsbauernführer mit Uniform im Dorf auf und ab. Er verkündete immernoch, dass der Feind aufgehalten würde, wir sollten keine Angst haben. Die Frauen hatten aber große Angst vor Kanonen und Maschinengewehren, vor Feuer und dem Verlust des Hauses und der Stallungen. Insgeheim hatten die Frauen schon weiße Betttücher bereitgelegt, um zu zeigen, dass sie sich ergeben. Bis jetzt hing noch keine weiße Fahne aus dem Fenstern, alle hatten Angst vor dem Ortsbauernführer. Als aber telefonisch die Nachricht ins Dorf kam, dass die Amerikaner schon im Nachbardorf Mupperg sind, das Panzerrollen schon unsere Straße erschütterte, waren mit einem Schlag die Wohnhäuser mit weißen Betttüchern geflaggt. Die Mütter hatten schon alles dafür vorbereitet und haben nur auf das letzte Zeichen gewartet. Es war aber auch die allerhöchste Zeit, die ersten Panzer rollten an unserem Haus vorbei. Die Dorfstraße war leer, nicht einmal ein Huhn oder eine Katze liefen draußen herum. Das Dorf war in eine gespannte Stille und in eine ängstliche Erwartung gehüllt. Alle Fenster in den Häusern waren geschlossen, das ganze Dorf schien unbewohnt zu sein. Wir Kinder waren in der Küche und schauten zwischen den Blumentöpfen auf dem Fensterbrett auf die Straße. Das Dröhnen der Panzer war so stark, dass kein Wort gesprochen wurde, ängstlich standen alle Bewohner in der Küche. Die ersten Panzer waren geschlossene Fahrzeuge, ein langes Kanonenrohr bewegte sich auf jeder Haus zu und war bereit, sofort zu schießen, falls sich deutsche Wehrmacht zeigen würde oder irgend eine feindliche Regung zu erkennen wäre. Nach endlosen geschlossenen Panzern kamen nach einem Zwischenraum Panzer, in denen Neger in einer Art Häuschen auf dem Panzer frei standen, das Maschinengewehr auf jedes Haus gerichtet. Unsere Neugier siegte, so sahen also Neger aus, ganz schwarz, mit krausen Haaren. Bis jetzt kannten wir nur Neger in Büchern, wie den in den Buch vom"Struwelpeter". Nach Stunden kam die Fahrzeugkolonne zum Stehen, vor unserem Küchenfenster stand ein Jeep mit einem Neger darin. Er sah uns Kinder hinter den Topfpflanzen des Fensters stehen und lachte uns zu. Wir waren zurückgewichen, es sah so ungewohnt aus, eine Reihe perlenweißer Zähne lachte uns an. Es waren ja auch Menschen, wenn sie auch andere Hautfarbe hatten. Etwas beruhigter waren wir jetzt schon. Die Angst wich einer natürlichen Neugier. Als sich die Jeeps wieder in Bewegung setzten, und die Besetzung Deutschlands weiterging, winkte er uns zu. Na also, wenn einem die Neger schon zuwinkten, können ja die Feinde nicht so grausam sein, wie es uns immer in der Schule gesagt wurde. Ein wenig Versöhnlichkeit zog in unsere Küche ein, langsam konnten sich die Erwachsenen wieder unterhalten. Der Alltag forderte sein Recht, die Kühe wollten gemolken werden, die Schweine schrieen nach Futter, die Hühner gackerten aufgeregt im Garten herum, es war schon Abend geworden. Immernoch fuhren Militärfahrzeuge ohne einen sichtbaren Abstand erkennen zu lassen, die Dorfstraße entlang, um Thüringen zu erobern. Dass der Feind mittlerweile eine deutsche Ländergrernze überschritt, wird ihm nicht bewußt gewesen sein. Seit dem frühen Morgen waren die Amis in Thüringen und hatten den Staat Bayern hinter sich gelassen. Nachts träumte ich, dass ich die Dorfstraße überqueren wollte und ich kam nicht auf die andere Seite der Straße, immer wieder kamen neue Jeeps, sie ließen nicht die kleinste Lücke. Verzweifelt versuchte ich in den Reihen der Fahrzeuge eine Lücke, Vor- und Zurücklaufen half nichts, ich kam nicht auf die andere Seite der Straße.
|