Der Abzug der Amis war aufregender als der Einzug der russischen Soldaten. Sie hinterließen uns Kindern Kaugummi und Drops, eine neue Art von Süßigkeiten, eine Menge Teebeutel und eine traurige I. I. war ein junges Mädchen, die viele Amis hatte. Niemand im Dorf fand etwas dabei, dass die amerikanischen Soldaten bei I. ein- und ausgingen, am wenigsten die Eltern. Die Besetzung der Russen regte uns wenig auf, wir dachten, es ist Frieden, aber noch kein Friedensvertrag abgeschlossen. Die Russen sind wie ein Sommergewitter, sie werden wieder abziehen. Dass durch die Siegermächte die Teilung Deutschlands mit Zonenengrenzen schon lange beschlossen war, kam nicht in unserer Alltagswelt an. Die Russen waren im Gegensatz zu den Amis sehr schlecht gekleidet und auch nicht sauber. lhre Sprache mit den vielen Zischlauten war uns völlig fremd. Als Erstes setzten sie den Bürgermeister, der von den Amis bestimmt wurde, wieder ab. Dafür wurde der einzige Kommunist im Dorf Bürgermeister, für ihn völlig überraschend. Zur Kommandantur bestimmten sie ein unscheinbares, unauffälliges Haus. Aber später sollten wir merken, diese Kommandatur lag unmittelbar an der Straße nach Neustadt. Eigentlich auch nichts Besonderes, war doch das Städtchen nur zwei Kilometer von Heubisch entfernt und unser nächster größerer Einkaufsort. In Neustadt gab es eine Apotheke, Läden für Kleider und Kurzwaren und noch andere Einkaufsmöglichkeiten mehr, auch ein Kino, es war also unser Landstädtchen. Die Eisenbahn, die in unserem Dorf hielt, kam aus Lichtenfels in Bayern, hielt in Fürth am Berg, in Heubisch und fuhr nach Neustadt weiter.Sie wurde von uns selbstverständlich genutzt, keiner dachte darüber nach, dass in unserem Dorf der einzige Bahnhof ist, der in Thüringen liegt. Vor dem Krieg bekamen wir unser Bier aus einer Brauerei in Neustadt. Es wurde schon darüber nachgedacht, die Gastwirtschaft wieder zu öffnen, wenn mein Vater wieder aus aus der Gefangenschaft zurückgekehrt sein wird.
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