Mein Vater fing wieder an zu bauen, er ersetzte die alte, baufällige Gartenmauer zur Straße.
| Haus mit Mauer |
Nach Neustadt mit dem Fahrrad zu fahren, war immer unangenehmer geworden. Ich war kein Kind mehr und die Russen schauten mich immer so komisch an, lachten miteinander und sprachen russisch, bevor sie mich die Straße weiter nach Neustadt fahren ließen. Oft wollten sie auch ein Dokument sehen, das ich nicht hatte. Also, ich weigerte mich immer öfter, wenn ich irgend eine Besorgung in Neustadt machen sollte. Schließlich fuhr ich immer seltener an den Russen vorbei, ich hatte Angst, sie kontrollierten jeden. Sie schauten in die Taschen, den Bauer mit ihren Fuhrwerken in alle Säcke, sogar geladene Heuwagen durchspießten sie mit Gabeln. Die Zonengrenze wurde von der Besatzung jetzt sehr ernst und streng genommen. Leute ohne Passierscheine wurden abgeführt und mussten in der Kommandantur etliche Tage verbringen, bevor sie wieder auf freiem Fuß gesetzt wurden. Die Soldaten verstanden keinen Spaß. Alles entwickelte sich auf eine undurchlässige Grenzziehung zu. Die Menschen merkten, dass diese Grenze zwischen Thüringen und Bayern keine vorübergehende Sache war. Die Russen verschafften sich Respekt und zwar mit Angst, Terror und Schikanen. Bei einer Untersuchung durch einen Schularzt fiel ich aus dem Rahmen. Es wurde festgestellt, dass ich hochgradig unterernährt war. Vom Land Thüringen wurde ich unverzüglich in ein Erholungsheim für gesundheitlich gefährdete Schüler zusammen mit vielen Kindern aus dem Thüringer Wald nach Koserow an die Ostsee verschickt. Die sechs Wochen Freizeit und Erholung ohne jegliche Pflichten hatten mich völlig verändert. Sogar meine eigene Mutter, die mich am Bahnhof abholen wollte, stutze und ging an mir vorbei, weil sie mich nicht erkannte. Ich war aufgeblüht, aus einem schüchterern Entlein, war ein stolzer Schwan geworden. Hatte ich doch mein normales Gewicht wieder, war rund, gesund und ausgeglichen.
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