Während des Sommers kamen Verwandte und wollten sehen, wo und wie wir wohnten. Sie brachten uns aus unserem Haus Sachen mit, die wir unbedingt benötigten, unter anderem auch Wintermäntel, Winterschuhe und Pullover. Ausgehend von der Situation in unserer Heimat machten sie deutlich, dass wir so bald nicht wieder nach Hause kommen und uns wohl auf den Winter einrichten sollten. Sie hatten noch große Angst vor der Staatsmacht, zumal die Regelungen in der "Sperrzone" noch strenger geworden waren. Keine fremde Person durfte zu Besuch, zu Familienfesten oder auch zu Beerdigungen dieses Grenzgebiet betreten. Später gab es Passierscheine, die aber von den Verwandten bei der Polizei des Ortes eingereicht werden mussten. Oft wurden die Passierscheine nicht ausgestellt, auch persönliche Antipathien spielten dabei eine Rolle. Mein Vater hatte viele Geschwister in unserem Ort, starb eines von ihnen, durfte er das Trauerhaus nicht betreten. Das bedrückte ihn sehr. Zur Trauerfeier in Sonneberg traf er sich mit seinen noch lebenden Geschwistern, die Gespräche waren kurz. Dann trennte man sich, die Trauergäste aus dem Dorf fuhren wieder in ihr Grenzgebiet, mein Vater wartete auf den Zug nach Saalfeld und fuhr in die entgegengesetzte Richtung. Kontakte mit den Zwangsausgesiedelten waren nicht erwünscht. So erreichte man ein Auseinanderleben der Verwandten und der nachkommenden Generation.
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