Nach dem Bau der Mauer in Berlin 1961 gab der Vater seine Bemühungen auf, wieder zurück nach Heubisch zu kommen. Dreizehn Jahre nach der Zwangsaussiedlung wurde die Sperrung des Kontos aufgehoben. Meine Eltern erwarben 1965 von dem Geld ein kleines Zweifamilienhaus mit einem Vorgarten und einem Gemüse- und Obstgärtchen hinter dem Haus. Es lag im Ortsteil Wenigenjena nahe der Saale, einem ehemaligen Dörfchen, das schon lange in die Stadt Jena eingemeindet war.Meine Eltern hatten rechts und links Nachbarn. Wenn sie zum Wohnzimmerfenster hinaus schauten, sahen sie auf die Kirche, in der Friedrich Schiller mit Charlotte von Lengefeld im Jahre 1790 getraut worden waren. Außenstehenden mussten unsere Lebensumstände normal erscheinen. Für mich war der Makel der Zwangsaussiedlung bis 1989 immer spürbar: 1957 heirateten wir. Der erste Arbeitsort meines Mannes war Steinach im Kreis Sonneberg. Unsere Unterkunft, von Wohnung konnte keine Rede sein, waren zwei sogenannte Ferienzimmer, nur eines davon heizbar. Dort lebten wir mit unserem Kleinstkind drei Jahre. Mein Mann bemühte sich um eine Versetzung nach Weimar. Die Zusage war an die Bedingung gebunden, dass wir keinen bewirtschafteten Wohnraum beanspruchten. Dem konnten wir nur gerecht werden, indem wir mit Hilfe eines Kredits einen früheren Pferdestall als Wohnung ausbauten. Gleichzeitig wurden wir Mitglied der Wohnungsbaugenossenschaft und konnten nach Ableistung von 600 Aufbaustunden und der Ratenzahlung für die geforderten Genossenschaftsanteile in Höhe von 3600 Mark 1963 in eine angemessene Wohnung einziehen.
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