Der Heubischer Viktor
Tagebuch des Landwirts, Metzgers und Schankwirts Viktor Walther aus Heubisch 
Einleitung

Die Jahre
Das Ende
Die Fortsetzung

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Das Ende der Familien Walther in Heubisch

Am 22. März 1932, wenige Tage vor seinem Tod, übergab Viktor Walther seinem Sohn Edmund Walther das Wohnhaus in Heubisch, Dorfstraße Nr. 37, und die damit verbundene Bierwirtschaft und Metzgerei sowie eine Landwirtschaft mit nunmehr 8,7053 Hektar Grundbesitz.
Bei der Übergabe war eine Übernahmesumme von 18 000,00 Reichsmark vereinbart worden. Davon hatte Edmund Walther an seine 12 Geschwister je 1000,00 Reichsmark auszuzahlen.
Der Rest von 6000,00 Reichsmark sollte auf den Auszug seiner Eltern, der Eheleute Viktor und Helma Walther stehen bleiben.

Helma Walther überlebte ihren Mann 5 Jahre, sie verstarb am 2. Juli 1937. Seine Frau Irma Coburger aus Neuhaus-Schierschnitz heiratete Edmund Walther am 19. Mai 1934.
Aus der Ehe gingen 2 Töchter hervor. Christa Walther wurde am 19. März 1936, ihre Schwester Renate Walther am 31. Januar 1941 geboren. Im Gefolge des Hitlerschen Erbhofgesetzes wurde mit Wirkung vom 11. April 1935 der Bauernhof unter dem Namen Viktorshof in die Erbhöferolle des Anerbengerichts Sonneberg eingetragen. Wie wir wissen, blieb dies nicht die einzige Auswirkung der Naziherrschaft.

Wie Millionen anderer Bauern mußte Edmund Walther die Uniform anziehen. Der unselige Krieg brachte ihn bis nach Rußland und Jugoslawien. Nach Krieg und Kriegsgefangenschaft kehrte er nach Hause zurück - in die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands.

Zum Erbe des Krieges gehörte die deutsche Teilung. Edmund Walthers und seiner Familie Schicksal hatte es gefügt, daß sein Heimatdorf Heubisch und mit ihm das in Generationen gewachsene Familienanwesen der Walthers unmittelbar an der Trennlinie beider Teile Deutschlands lag.
Im östlichen Teil, der sich seit 1949 Deutsche Demokratische Republik nannte, hatte sich unter dem Schutz der sowjetischen Besatzungsmacht eine Diktatur etabliert, die in der Bevölkerung wenig Rückhalt hatte.
Unter dem Etikett des Aufbaues einer sozialistischen Gesellschaft wurde zielstrebig nach den Enteignungen in der Industrie der Mittelstand liquidiert.

Demokratische Grundrechte standen nur auf dem Papier. Andersdenkende verschwanden in Zuchthäusern und sowjetischen Internierungslagern. Die Folge war zunehmende Unzufriedenheit, die eine immer mehr anschwellende Fluchtbewegung in Richtung Westen auslöste.
Im Interesse der Machterhaltung galt es, das System zu stabilisieren. 1950 wurde fol gerichtig das Ministerium für Staatssicherheit geschaffen und mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet. Zu seinen ersten Bewährungsproben gehörte die Sicherung der Grenze zur Bundesrepublik, die im Jahre 1961 zur hermetischen Abriegelung der Westgrenze und zum Bau der Berliner Mauer führte.

Die Grenzsicherung begann 1952 mit der Errichtung des Fünfkilometersperrgebietes und des Fünfhundertmeterschutzstreifens. Sie wurde für die Bewohner der Gemeinden entlang der innerdeutschen Grenze mit einem Paukenschlagt eingeleitet - der Zwangsaussiedlung unbescholtener Menschen am 5. und 6. Juni 1952. Opfer dieser ersten derartigen Willküraktion, der 1961 eine weitere Zwangsaussiedlungswelle folgte, waren in Heubisch auch die Familien Edmund Walther und Oswald Walther.
Ihre Namen finden neben denen der anderen 1952 aus Heubisch Zwangsausgesiedelten auf den Deportationslisten, die im Staatsarchiv Weimar aufbewahrt werden:

  • Wilhelm Schmidt, Bergmühle, gesamte Familie
  • Reinhold Heymann, Ortsstr. 19, 5 Personen
  • Ludwig Brückner, Ortsstr. 38a, 5 Personen
  • Edmund Walther, Dorfstr. 37, 4 Personen
  • Oswald Walther, Dorfstr. 36, 5 Personen
  • Ernst Knauer, Dorfstr. 30, 2 Personen
  • Alfred Knauer, Dorfstr. 30, 4 Personen
  • Richard Oberender, Ebersdorfer Str. 73, 4 Personen
  • Armin Heymann, Dorfstr. 20, 4 Personen.
Nicht auf der Liste verzeichnet, aber ebenfalls ausgesiedelt wurden Robert Roos mit 3 Personen, Gustav Wolf mit 2 Personen und der Bürgermeister Oskar Büchner, weil dieser sich weigerte,die mit der Deportation gegebenen Anordnungen auszuführen.
Auf Lastwagen wurden diese Familien mit ihrem Hausrat zum Güterbahnhof Sonneberg gebracht.
Dort wurden sie mit den etwa 300 Familien aus den Grenzgemeinden des Kreises, die ihr hartes Schicksal teilen mußten , in Viehwaggons geladen und in den Raum Jena verschleppt.

Der seit 500 Jahren in Heubisch urkundlich belegte Familienname Walther, dessen Träger diese Gemeinde nicht unerheblich geprägt haben, wurde damit in Heubisch ausgelöscht. Grund und Boden , über viele Generationen bewahrt und gemehrt, wurde entschädigungslos enteignet. Das Haus der Familie Oswald Walther, Dorfstraße 36, wurde abgerissen.
Das danebenliegende Anwesen, das Edmund Walther von seinem Vater Viktor Walther übernommen und immer im besten baulichen Zustand erhalten hatte, war nach 40 Jahren "Arbeiter- und Bauernmacht" nur noch ein Torso.
Der Stall mit dem darüberliegenden großen Saal, der so viele "Tänzchen", Kirchweihfeiern und Theatervorstellungen gesehen hatte, wurde ebenfalls abgerissen.
Die Wohn- und Gasträume wurden als Kindergarten solange genutzt, bis es durch das im Laufe der Jahrzehnte immer baufälliger werdende Dach schließlich durchregnete.

Wie viele ihrer Schicksalsgefährten haben Edmund Walther und sein Vetter Oswald Walther des Ende des Unrechtsregimes, das die Verantwortung für die Zwangsaussiedlung und ihre Folgen trägt, nicht mehr erleben können.