Der Heubischer Viktor
Tagebuch des Landwirts, Metzgers und Schankwirts Viktor Walther aus Heubisch 
Einleitung

Die Jahre
1.März 1916
2.April 1916
3.Ostern 1916
4.Mai 1916
5.Juni 1916
6.Sommer 1916
7.Herbst 1916 / Das zweite Kriegsjahr
8.Weihnachten 1916
9.Winter 1917
10.Ostern 1917
11.Frühjahr 1917
12.Sommer 1917
13.Herbst 1917
14.Weihnachten 1917
15.Winter 1918
16.Frühjahr 1918
17.Sommer 1918
18.Herbst 1918
19.Weihnachten 1918
20.Winter 1919
21.Frühjahr 1919
22.Sommer 1919
23.Herbst 1919
24.Winter 1920
25.Frühjahr 1920
26.Sommer 1920
27.Herbst 1920
28.Winter 1921
29.Frühling 1921
30.Sommer 1921
31.Herbst 1921
32.Winter 1922
33.Sommer 1922
34.Herbst 1922
35.Winter 1923
36.Frühling 1923
37.Sommer 1923
38.Herbst 1923
39.Das Jahr 1924
40.Das Jahr 1925
41.Das Jahr 1926
42.Das Jahr 1927
43.Das Jahr 1928
44.Das Jahr 1929
45.Das Jahr 1930
46.Das Jahr 1931
47.Das Jahr 1932
48.Nachruf
Das Ende
Die Fortsetzung

Bilder
  Postkarte(120kByte)
  Tafel am Haus
  Torfstechen
  Urkunde
  Umgebungsplan

URL2Doc Diese Seite
für den PalmPilot

  
weiter...

Sonntag, d. 10. 2. 29 

Dies war die kälteste Woche im Jahr. Es waren Tage dabei mit 26 Grad Kälte. Heuer ein Nordischer Winter, Sibirien. Für mich eine Husten- und Grippewoche. Gearbeitet wurde diese Woche gar nichts.

Sonntag, d. 17. 2. 29 

Dasselbe Bild wie die vorigte Woche, noch ein paar Grad kälter, bis 30 R. Gestern ging das Thermometer etwas zurück. Gestern Abend Tanzstündler, Neustadt, ein Tänzchen. Waren nicht viele Leute, sind doch 80 M eingekommen. Heute wird nicht viel los werden. Was auch zutraf.

den letzten Februar 1929 

Gestorben sind:
20. JanuarEdmund Knauer58 Jahre
14. FebruarChristian Holland21 Jahre
24. FebruarLuise Büchner-Engel75 Jahre
26. FebruarJohann Köhler71 Jahre
27. FebruarBarbara Motschmann83 Jahre

Sonntag, d. 10. 3. 29 

Nachts leichter Frost, bei Tage Tauwetter, so daß der viele Schnee und das meterdicke Eis allmählich verschwinden. Gestern wurde August Schreppel begraben, 75 Jahre, er war schon länger kränklich. Ein Schlaganfall machte ein Ende. Eine große Aufmachung bei der Beerdigung. Kriegerverein und Musik, Schützen in Uniform und Harmonieverein. Ein Enkel von Hollands Frieder gestorben, ¾ Jahr alt.

Sonntag, d. 5. 5. 29 

Ein richtiger Frühlingstag, doch etwas zu trocken. Regen tut Not. Noch kein Baum, kein Strauch ausgeschlagen. Die Saaten gehen nicht auf, kein Gras, kein Klee wächst und in der Scheune ist Ebbe. Für uns wars überhaupt eine schlechte Woche. Ilse ist mit dem Pferd verunglückt, es konnte unter Umständen ihr Tod sein. Beim Ausspannen am Kleinodsfeld fiel das Ortscheid vom Kummet, das Pferd wurde unruhig, ging los. Ilse blieb mit dem Fuß im Seil hängen und wurde geschleift bis in den Hof. Die Verwundung war schlimmer, als wir anfangs dachten und mußten Ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Daß die Schmerzen sehr arg sind, läßt sich denken. Hoffentlich geht die Sache doch noch gut ab. Es hätte schlimmer ausfallen können und konnte jedem anderen auch passieren. es waren ein paar recht schlimme Tage, nach denen man sich nimmer sehnt.

Pfingsten, den 20. 5. 29 

Das Wetter kalt und windig. Es gab doch etwas Verkehr. Unsere Einnahme 100 M. Bei Tage kein Fremdenverkehr, bloß Ehrlichers Holder von Neustadt, nicht mal Bunzel Schorsch.

Sonntag, d. 2. 6. 29 

Die ganze Woche schönes Wetter, mit Ausnahme Mittwoch Abend, wo ich mit Ton nach Zedersdorf und mit knapper Not 2 Gewittern aus dem Wege ging. Bei Höllein eingekehrt, in Fürth etwas Kirchweih nachgeholt. Torf 4 Fuderchen heim. Am Freitag verunglückte Markus Faber von Mogger auf einer Fahrt nach Neustadt. Das Pferd scheute vor einem Lastauto am Baßhölzchen und rannte über einen Steinhaufen, wo der Wagen umschlug, den das Pferd noch 20 mtr. weit schleifte. Markus wurde im Gesicht verletzt und die Frau brach ein Bein so schwer, daß sie nach Einlieferung ins Krankenhaus Neustadt sofort operiert werden mußte. Knochensplitter sollen am Unglücksort gelegen haben.

Sonntag, d. 30. 6. 29 

Immer Regen die Woche über. Gestern das erste mal eingefahren, Taubenwiese ein kleines Fuder, ebenso Teichwiese ein kleines. Gestern in der Gemeinde gemäht. Die Gemeinde steht heuer gut. Am Montag die Braunkalbe verkauft an Metzger Wittmann, Steinach, für 530 M. Am Dienstag eine Kuh gekauft von Jud Gutmann, Coburg, für dasselbe Geld. Soeben kam die Nachricht, daß der Langbein Fritz im Krankenhaus zu Sonneberg infolge einer Blinddarmoperation gestorben ist. Sein Leiden und Sterben hat mich sehr angegriffen und werde lange um ihn trauern. Er wurde am Dienstag unter sehr großer Beteiligung beerdigt. Er war aber auch bei Jedermann beliebt und ich persönlich habe einen lieben guten Freund verloren. Wir haben uns zeitlebens immer sehr gut miteinander verstanden und ich bin froh, daß wir vorigtes Jahr miteinander in der Fränkischen Schwreiz waren-.

Sonntag, d. 21. 7. 29 

Eine sehr heiße Woche haben wir hinter uns, bis zu 30 Grad. Korn reift mit Gewalt. Auch Gerste gibt nach. Torf nach Hause. Gestern Abend wurde bei Line Louis das Haus aufgerichtet. Ziemlicher Aufrichtschmaus für 12 Mann. Hat 61 M gemacht - 12mal Koteletts, 2 Pfd. Wurst, 35 Liter Bier. Das andere bei Tag.
Heute Nachbar Wolln Alfred beerdigt. Er starb nach längerem Leiden, aber nicht zu Hause, sondern in Stuttgart, wo er eben zu einer Kur dort eingetroffen war. Die Reise in dieser Hitze hat ihm wohl den Rest gegeben. Alfred war sonst ein guter Junge und Nachbar und es ist zu bedauern, daß er mit 26 Jahren sein Leben lassen mußte. Durch die lange Krankheit, Herzkrankheit, hat er von seinem Leben und seiner Jugend verhältnismäßig recht wenig gehabt.

Sonntag, d. 28. 7. 29 

Ein schöner Morgen. Das Korn geht seiner Reife entgegen, in den nächsten Tagen wird es wohl losgehen. Die Woche über etwas Streu gemacht. Maurer, Anstreicher. Das neue Haus von Line Louis ist gedeckt und ausgemauert. Vor acht Tagen wurde es aufgerichtet. Diese Woche haben wir wegen der großen Hitze nicht geschlachtet Hatten bis zu 35 Grad.

Sonntag, d. 29. 9. 29 

Vergangenen Montag Abend starb Elfriede, ganz plötzlich. Am Sonntag Nachmittag wurde sie krank und klagte über große Kopfschmerzen, die immer unerträglicher wurden. Dr. Faber stellte Hirnhautentzündung fest und veranlaßte, daß der Professor vom Landkreis Coburg hinzugezogen wurde, der die Sache ganz hoffnungslos hinstellte. Er hatte recht, den Abend schlief sie schon ein und wurde am Mittwoch unter großer Teilnahme beerdigt. Ein schwerer Schlag für die Eltern und für den Verlobten, der sich kaum fassen konnte.

Sonntag, d. 17. 11. 29 

Die Witterung war recht schlecht. Die ersten Tage schön, infolge dessen ich 2 Fuhren Kalk in Kemmaten holte. Es war gewissermaßen Stückkalk, die Fuhre 8 M. Eine Fuhre unter die 2 Komposthaufen, eine aufs Gerstenfeld am Linder Weg. Die letzteFuhre trieb heimwärts bald den Wagen auseinander und dampfte wie ein Schlot. Am Dienstag sah ich mich erst nach Kalk um, dann ging die Reise weiter. Raimund Bauersachs war bei mir. Wir machten von Kemmaten beim Kalkofen direkt übern Berg nach Kipfendorf, nach den Tongruben der Gait'schen Fabriken. Von da über Tierach in die Steinbrüche und Felsen des Sauloches. Hochinteressant. Von da über Spittelstein auf dem Bergrücken nach Einberg.

Wir besichtigten die Ehrenmale von Spittelstein und von Einberg, die auf dem Berg im Walde je an einem Naturfelsen errichtet sind, alle beide recht imposant und machen Eindruck auf jeden Wanderer, der diese Gegend passsiert. In Oeslau kehrten wir bei Sauerteig ein und machten dann nach der Rosenau. Mit dem Zug um ½4 Uhr wieder zurück nach Oeslau.

Sonntag, d. 15. 12. 29 

Wind und Regen. Gestern Abend hatte der Turnverein Neustadt ein Tänzchen. Waren wenig Leute und die ließen nichts aufgehen. Unsere Einnahme 50 M. Im Laufe der Woche 4 Fuder Holz und Reisig vom Brandholz heim. Immer Regen und doch kein richtiges Hochwasser. Ich habe immer dabei gewässert, aber keine richtige Art hat es nicht.

Politisch: Vor acht Tagen waren die Wahlen zum Thüringer Landtage. Die Sitze sind die alten. Nur die Nationalsozialisten rücken mit Verstärkung ein. Seither hatten sie 2 Sitze, Tinter und Marschler, jetzt sind es 6 Mann.

I. Weihnachtsfeiertag 1929 

Seit gestern Schnee, heute Nacht Tauwetter, jetzt am Morgen ein leichter Frost. Die Glocken läuten zu Kirchanfang. Sonst das alte bekannte Bild. Für die Kleinen mag alles eine Freude sein, für die Großen bzw. Eltern eine Last. Die Geldaufwände für Spielzeug, dann für Kleider u.s.w. sind bedeutend höher als vor dem Krieg, trotz der schlechten Verdienste, der ganz schlechten Wirtschaftslage und der hohen Steuern. Also, den Krieg müssen wir gewonnen haben. Vergangenen Sonntag, den man den goldenen nennt, war die Abstimmung für das Volksbegehren gegen den Youngplan. Ca. 7 Millionen Stimmen für ja.
21 Millionen aber müßten es sein, also durchgefallen. Hier stimmten 124 mit ja. Der Krieg und seine Folgen sind längst vergessen, mindestens von der Mehrzahl der Menschen. Edmund brachte ein Buch mit, betitelt: "Im Westen nichts neues". Alle Schrecken dieses Krieges werden da einem wieder zu Gemüte geführt. Der Mensch oder Soldat war da kein Mensch mehr, sondern ein Tier, ein Raubtier. Der Schrecken in den Schützengräben während des Trommelfeuers, die gegenseitigen Angriffe mit Feuer, Gas, Handgranaten und alles andere. Ebenso schrecklich geht es in den Lazaretten zu. Viele Ärzte waren Tyrannen und Stoffel, und der Soldat ganz in den Händen dieser Leute.

II. Weihnachtstag 

Heute Matsch und Tauwetter. Gestern war nicht die Welt los bei uns. Unsere Einnahme 55 M. Der heutige Tag hat geschäftlich doch soweit gut getan. Am Tag gab es etwas Verkehr, aber kein Fremder. Nachts hatte der Turnverein Ball, der ziemlich gut besucht war, die Stube war auch voll. Unsere Einnahme 160 M. Einnahme des Vereins war ca. 60 M. Zu den Feiertagen ein Schwein von uns geschlachtet, etwas über 1 Ztr. gewogen. Es war zu fett, das Fleisch gar nicht durchwachsen, so daß die Bratwürste, auch ein Schock Wiener habe ich gemacht, zu fett waren. Nun haben wir Neujahr, wird auch schnell vorüber sein.

Es ist doch sonderbar, alle weltlichen historischen Begebenheiten, seien sie militärischer oder wirtschaftlicher Art, verschwinden wieder so nach und nach. Hingegen die kirchlichen Feste haben Bestand. Da sieht man doch die Macht der Kirche, denn was hat denn das Weihnachtsfest groß eine geschichtliche Bedeutung. Daß ein Kind geboren wurde, was ist da weiter groß dabei? Ein ganz natürliches Ereignis, das für die Fortpflanzung dient.

   weiter...