Der Heubischer Viktor
Tagebuch des Landwirts, Metzgers und Schankwirts Viktor Walther aus Heubisch 
Einleitung

Die Jahre
1.März 1916
2.April 1916
3.Ostern 1916
4.Mai 1916
5.Juni 1916
6.Sommer 1916
7.Herbst 1916 / Das zweite Kriegsjahr
8.Weihnachten 1916
9.Winter 1917
10.Ostern 1917
11.Frühjahr 1917
12.Sommer 1917
13.Herbst 1917
14.Weihnachten 1917
15.Winter 1918
16.Frühjahr 1918
17.Sommer 1918
18.Herbst 1918
19.Weihnachten 1918
20.Winter 1919
21.Frühjahr 1919
22.Sommer 1919
23.Herbst 1919
24.Winter 1920
25.Frühjahr 1920
26.Sommer 1920
27.Herbst 1920
28.Winter 1921
29.Frühling 1921
30.Sommer 1921
31.Herbst 1921
32.Winter 1922
33.Sommer 1922
34.Herbst 1922
35.Winter 1923
36.Frühling 1923
37.Sommer 1923
38.Herbst 1923
39.Das Jahr 1924
40.Das Jahr 1925
41.Das Jahr 1926
42.Das Jahr 1927
43.Das Jahr 1928
44.Das Jahr 1929
45.Das Jahr 1930
46.Das Jahr 1931
47.Das Jahr 1932
48.Nachruf
Das Ende
Die Fortsetzung

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Sonntag, d. 30. 6. 18 

Eine ereignisreiche Woche. Louis Truckenbrodt hat sein Amt als Gemeindevorstand niedergelegt und und ist ihm vom Gemeinderat bewilligt worden. Ich mußte als Vertreter die Geschäfte etliche Tage übernehmen, weil Truckenbrodt sofort niederlegte, bis der Neue gewählt ist. Gewählt wurde einstimmig August Stegner am Dienstag Abend. Wollen nun sehen, wie es weitergeht.Hoffentlich klappt die Geschichte.Louis will sich nachträglich recht ärgern, daß er so schnell gehandelt hat, zudem sein Nachfolger 225 M mehr zugelegt bekommen hat. Der Anlaß war folgender: Louis stellte Antrag an den Gemeinderat, ihm 45 M monatlich für eine Hilfskraft zu gewähren, anderenfalls er sein Amt niederlegen müsse, er wäre am Ende seiner Kraft angelangt. Auf Weiteres ließe er sich nicht ein. Der Gemeinderat hat ihm diese Zulage verneint, infolge dessen die Sache ins Rollen kam.

Die Woche über hatten wir etwas Regen. Am Freitag, d. 27. Juni das letzte Heu nach Hause, Schulwiese. Louis drüben hat noch die ganze Hut liegen und die Gemeinde stehen. Recht langsam jetzt. Bierveränderung: Seit 14 Tagen haben wir Bier von Süßenguth. Mit Stahn nun vollständig aufgehört. Er schrieb mir einen recht koulanten schönen Abschiedsbrief, bezugnehmend wieder auf spätere Geschäftsverbindungen. Bier von Süßenguth ist doch besser. Kriegsschauplatz: Die Oestreicher haben eine rechte Schlappe erhalten. Über 100 000 Mann Verlust. Die Blätter bringen Berichte über Truppenverhungern. Auf dem Kriegsschauplatz wenig Veränderung. Engländer und Franzosen machen kräftige Erkundungsvorstöße. Die Ernährungsschwierigkeiten werden immer schlimmer. Wir haben nimmer viel und Oestreich gar nichts mehr. Kaiser Karl hat sich dieserhalb an unseren Kaiser gewandt, um Hilfe von ihm zu erhalten. Die Witterung ist etwas regnerisch, aber immer kalt dabei, so daß das Wachstum gar nicht vorwärts geht. Sonst nichts von Bedeutung.

Sonntag, d. 14. 7. 18 

Früh 9 Uhr. Ruhiges bewölktes Wetter. Die ersten Tage der Woche regnerisch, die letzten Tage trocken und windig. Haben keinen ersten Klee mehr und zweiten gibts nicht. Was nun füttern? Das bißchen Heu, das gemacht worden ist? Es täte Not.

Auf dem Kriegsschauplatz nichts neues. Im Lande viel Hunger und Sorgen. Staatssekretär v. Kühlmann wurde verabschiedet, weil er die Wahrheit über die militärische und wirtschaftliche Lage im Reichstag gesagt hat. An seine Stelle kam einer von der Vaterlandspartei, Admiral v. Hinze, auch wieder nur vom Kaiser ernannt.

Donnerstag, d. 1. August 1918 

Ein Jahrestag heute, aber einer von der schlimmsten Sorte. Vier Jahre sind nun voll von diesem Kriege, der so entsetzliches Elend über die Menschheit gebracht hat und voraussichtlich noch viel schlimmeres bringen wird, denn ein Ende dieses Krieges ist noch nicht abzusehen, weil England in dieser jetzigen Situation unmöglich Frieden machen kann. Das von Haus aus nur kleine Inselreich ist auf einer Höhe der Macht angelangt, auf der es entweder heißt, die Höhe ist erreicht, oder aber, es soll noch höher gehen, ohne daß die Mittel, mit denen der Weiterstieg bewerkstelligt wird, eine Rolle spielen. In dieser Situation ist ein Reich nicht mehr Herr seiner Entscheidungen über Krieg und Frieden.

Es lohnte sich schon immer, wenn England einen Mitbewerber niederschlug. Und selbst aus einem für das Inselreich minder glücklichen Kriege gegen einen Mitbewerber ging dieser in der Regel so geschwächt hervor, daß England seinen Zweck, die Ausschaltung erreichte. Hier liegen die ungeheuren Schwierigkeiten, zu einem Frieden zu kommen. Keiner der Kriegsbeteiligten wagt es, sich mit so brutalen Mitteln gegen den Frieden zu wehren, wie England. Die Verweigerung der Pässe für die Kongreßmitglieder und der Fall Troelstra sind unwiderlegbare Zeugnisse dafür, daß England noch keinen Frieden brauchen kann, dafür finden wir die Erklärung in seiner Weltmachtstellung. Beherrscher der halben Welt zu sein und aus einem Kriege von der Bedeutung des jetzigen als halb unterlegener hervorzugehen, diese beiden Rollen lassen sich nicht miteinander vereinigen. Mögen die Widerstände gegen den Frieden in den anderen Ländern noch so groß sein, bis zum ernsthaften Eingreifen Amerikas war England zweifellos das größte Hindernis. Wie ist die Welt von dem Kriege und allen seinen Greueln zu befreien? Wir müssen den Narrheiten und Eitelkeiten der Könige ein Ende machen. Wir müssen ein Ende damit machen, daß nur Volksfremde Völker beherrschen. Könige sterben, Reiche gehen dahin, aber große Gedanken, die einmal geboren sind, können nicht wieder sterben. Die Regierung der Welt durch Vernunft wird kommen, so sicher wie der Sonnenuntergang.

Von Rosegger:

"Wenn du recht schwer betrübt bist, daß du meinst, kein Mensch auf der Welt könne dich trösten, so tue etwas Gutes, und gleich wird es besser sein."

Sonntag, d. 19. 8. 18 

Die Erntearbeiten schreiten bei schöner Witterung rüstig vorwärts. Hafer und Gerste gibt es recht wenig. Alfred kehrte am vergangenen Freitag Abend aus 4jähriger Gefangenschaft aus Rußland zurück. Alles freute sich aufs Wiedersehen, um so mehr, da die Verwundungen keine nennenswerten Folgen nach sich gezogen haben und ihn vielleich doch von der Front befreien lassen.

Sonntag, d. 25. 8. 18 

Alfred hat sich die 8 Tage wieder gut zu Hause eingelebt. Der letzte Hafer kam gestern nach Hause. Er war von der Ziegelei. ½ Ztr. Leinsamen an Pix, Sonneberg, verkauft, das Pfd. zu 2 M. Gestern die Schimmel verkauft an einen Kohlenhändler in Sonneberg für 1200 M. Seit Lichtmeß geführt. - Heute Morgen den ersten Tabak geerntet, aufgehängt an Schnüren auf dem Tanzboden. Vorigten Sonntag war der Steuerbeamte da, um den Tabak aufzunehmen. Die Steuer betrug 70 Mark. Gestern Grummet in der Gemeinde gemäht, es gibt sehr, sehr wenig.

Sonntag, d. 1. Sept. 18 

Das Heuwetter war die Woche über recht schlecht, so daß wir gestern das erste Füderchen nach Hause brachten. Das erste Fellichackern ist fertig. Auf dem Schweinemarkt in Coburg ging das Geschäft gestern langsam. Es gab zwar viele Käufer, aber auch ziemlich Schweine. Der Preis war 30 bis 90 Mark das Stück. Zum Schluß blieb etwas übrig. Mein Zigarettenkauf dort fiel schlecht aus. Meistens die Läden geschlossen, so daß ich recht wenig bekam, unter 15 Pf. das Stück keine, höchstens mit langem Mundstück. Zu Essen gibt es in Coburg in keiner Wirtschaft mehr etwas, im Goldenen Kreuz erhielt ich nur aus Gefälligkeit etwas. Kriegsmüdigkeit trifft man überall. Die große Zahl der Menschheit leidet eben Not und Hunger.

An der Ziegelei 5½ Ztr. Hafer verkauft, à 40 Mark. Der Ausdrusch war 12 Ztr.

Sonntag, d. 8. 9. 18 

Regnerisch und kühl war meist die Witterung die Woche über. Gestern Sonnabend das erste Grummet mal wieder nach Hause. Mist nach der Ziegelei gefahren.
Deubel, Sonneberg, hat 26 Ztr. Kraut erhalten, à Ztr. 20 Mark, sind 520 M. Eine langjährige Sorge wurden wir diese Woche endlich einmal los. Scherbel holte sein Karussel weg, das seit 1811 hier lagerte, resp. Erich fuhr es nach Köppelsdorf an die Bahn. Scherbel bezahlte 20 Mark Fuhrlohn. Bis jetzt Roggen abgeliefert 21,60 Ztr.

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