Der Heubischer Viktor
Tagebuch des Landwirts, Metzgers und Schankwirts Viktor Walther aus Heubisch 
Einleitung

Die Jahre
1.März 1916
2.April 1916
3.Ostern 1916
4.Mai 1916
5.Juni 1916
6.Sommer 1916
7.Herbst 1916 / Das zweite Kriegsjahr
8.Weihnachten 1916
9.Winter 1917
10.Ostern 1917
11.Frühjahr 1917
12.Sommer 1917
13.Herbst 1917
14.Weihnachten 1917
15.Winter 1918
16.Frühjahr 1918
17.Sommer 1918
18.Herbst 1918
19.Weihnachten 1918
20.Winter 1919
21.Frühjahr 1919
22.Sommer 1919
23.Herbst 1919
24.Winter 1920
25.Frühjahr 1920
26.Sommer 1920
27.Herbst 1920
28.Winter 1921
29.Frühling 1921
30.Sommer 1921
31.Herbst 1921
32.Winter 1922
33.Sommer 1922
34.Herbst 1922
35.Winter 1923
36.Frühling 1923
37.Sommer 1923
38.Herbst 1923
39.Das Jahr 1924
40.Das Jahr 1925
41.Das Jahr 1926
42.Das Jahr 1927
43.Das Jahr 1928
44.Das Jahr 1929
45.Das Jahr 1930
46.Das Jahr 1931
47.Das Jahr 1932
48.Nachruf
Das Ende
Die Fortsetzung

Bilder
  Postkarte(120kByte)
  Tafel am Haus
  Torfstechen
  Urkunde
  Umgebungsplan

URL2Doc Diese Seite
für den PalmPilot

  
weiter...

Neujahr 1931 

Rückblick des Jahres 1930
Geschäft wird immer weniger.

I. durch die ungeheure Arbeitslosigkeit,
II. durch den kolossalen Steuerdruck und
III. durch die sehr niedrigen Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse.
Der Bauer hat kein Geld.

Bierverbrauch 1930
vom Brauhaus89,28 Hklt
von Höllein, Zedersdorf41,02
Sa. 130,30 Hklt

Durch den Brand kamen wir zu dieser Höhe, es hatte doch etwas Einfluß auf das Geschäft. Monat April 19 Hklt., aber in dem Moment, da Knauer seine Bretterbude eröffnete, war es bei uns aus. Mit wenig Ausnahmen verkehrten die Handwerksleute und Meister nur dort. Wollen mal sagen, der Brand machte 20 Hklt. aus, verblieben dann nur 110 Hklt. für 1930. Landwirtschaft? Will ich lieber nicht schreiben.

Sonntag, d. 18. 1. 31 

Heute sind es 60 Jahre, daß im Spiegelsaal zu Versailles das Deutsche Reich gegründet wurde. Überall sind deswegen Feiern. Die Zeitungen bringen die Bilder der großen Männer, die seiner Zeit das Reich gegründet haben. Dienstag und Mittwoch haben wir Eis gemacht. War schönes Wetter dazu und 10 bis 12 cmtr. stark. Gemacht haben es die Steiners zu dritt. Ich gab ihnen 20 M, vorigtes Jahr waren es 15 M. Gleich nach dem Eismachen ging ganz schlechtes Wetter an, so daß man draußen nichts machen konnte. Die meiste Arbeit hat mir das Aufbauen des Eishauses gemacht. Froh, daß der Kram geregelt ist.

Sonntag, d. 29. 3. 31 

Früh 1/2 9 Uhr. Schneestürme, abwechselnd mit Sonnenschein, aber sehr kalt dabei. Die ganze Woche über früh tüchtig gefroren, öfters Eis auf dem Fluß und Mittag schön warm. 4 Fuder Sand in Neustadt geholt, à 50 Pfg., sehr schöner, grobkörniger Felsensand. In der Thüringer Regierung gibts mal wieder Krach.

Karfreitag, d. 3. 4. 31 

Heute vor einem Jahr war der große Brand. In diesem Zeitraum hat sich viel verändert und meistens zum Besten der Abgebrannten. Ob die Erwartungen des Knauers betreffs Geschäftlichen in Erfüllung gegangen sind, ist fraglich. Richard Bauersachs haben die Gläubiger beim Wickel. Heutige Einnahme 50 M. Mupperger Kirchenchor war Abends vertreten.

Sonntag, d. 17. 5. 31 

Ein prächtiger Frühlingsmorgen, wie schon die ganze Woche über. Mittwoch, Freitag und Sonnabend haben wir Torf gemacht bei schönstem Wetter. Der Platz ist tüchtig voll, ungefähr 20 000. Max hat geholfen. Heute Nachmittag hatte der Raiffeisenverein Versammlung bezwecks Wahl eines neuen Rechners. Emmerich trat zurück. Gemeldet haben sich Janker, Glaser, Schilling, Ernst Schmidt und Arno Langbein. Glaser und Ernst Schmidt kamen zur engeren Wahl. Gewählt wurde Julius Glaser mit 18 Stimmen,. Lebhafte Debatten gab es an der Versammlung.

I. Pfingstfeiertag, den 24. 5. 31 

Eine ereignisreiche Woche. Am Montag kam die Nachricht, daß Emmerich in München gestorben ist. Emmerich, 52 Jahre alt (nicht zu verwechseln mit Emmerich Wicklein, Heubisch, gen. Hänsel)starb durch Herzschlag. Er war immer herzleidend und mußte sich gesundheitlich sehr in acht nehmen. Seine Mutter will zur Beerdigung nach dort, infolge dessen gehen der hiesige Emmerich und die Mühl Paula als Begleiter mit. Emmerich, um den Nachlaß zu ordnen, Paula wegen der Tante. Dienstag früh fuhren sie hier weg. Der Nachlaß wurde jedoch durch seinen Freund aus der Jugendzeit geregelt Die Schwierigkeiten liegen in der Scheidung mit seiner Frau. Auf alle Fälle erhält sie sämtliche Pension und ¼ seines Vermögens. In der Nacht am Freitag auf Sonnabend den 23. 5. 31 Nachts 1 Uhr weckte uns Feuerlärm. Ich war schnell zu Stelle und sah, daß die Scheunen von Baß Louis und Hänsels in hellen Flammen standen. Es dauerte nicht lange, brannten die Scheunen von Schindhelms und Ferdinand Truckenbrodt lichterloh, desgl. die Scheunen von Krautwurst und Knauer und zuletzt das Haus von Heymann mit Nebengebäuden. Die Häuser von Ferdinand, Schindhelm, Baß Louis und Heymann brannten gleichfalls nieder. Die Häuser von Knauer, Krautwurst und Hänsels blieben verschont. Bei Hänsels wuirde im Hause viel ruiniert, durch die Menge Wasser der Motorspritzen.

Wer war nun der Anzünder? Die Abgebrannten hatten wirklich kein Interesse daran, denn Truckenbrodts, Baß, Hänsels ihre Gebäude waren nur gut im Stande, die haben jährlich reingebaut und erneuert, was sie an Barmitteln übrig hatten.

Sonntag, d. 31. 5. 31 

Freitag Abend das erste mal nach längerer Zeit mal wieder geregnet. Im unteren Orte ganz wenig, naufwärts sehr viel, so daß wir gestern früh draußen Sand pflanzen konnten. Gestern Nachmittag wieder ein Gewitter, so daß weiter gepflanzt werden konnte. Die Woche über das Krautfeld zurecht gemacht und den Torf bis auf eine Kleinigkeit weggebracht. Hafer viel Unkraut und zu dünn. Gerste kein Unkraut und beinahe etwas zu dick. Heute Abend Schützenball.
Heymann und Schwämmlein haben sie wegen Verdacht auf Brandstiftung eingesperrt.

Sonntag, d. 12. 7. 31 

Ein prächtiger Morgen. Die Woche über war die Witterung gar nicht besonders. Verhältnismäßig wurde auch zu wenig gearbeitet. Infolge der Berichte an den amerikanischen Präsidenten Hoover von Seiten der deutschen Regierung über die große Not bei uns stellte dieser bei sämtlichen Gläubigern den Antrag, uns die Reparationssumme von 2 Milliarden für 1 Jahr zu erlassen, was auch , natürlich unter französischen Schwierigkeiten und Vorbehalten, geschah. Aber ich glaube, es nützt uns nicht viel. Wenn das Jahr rum ist, gehen die alten Schwierigkeiten wieder von vorn und der Staatsbankrott und Bolschewismus ist unausbleiblich. Denn unsere Regierung versteht nicht zu wirtschaften und gibt für die öffentliche Hand viel zu viel Geld aus. Ihr Untergang ist besiegelt. Sonst ist Deutschland nichts weiter als eine amerikanische Kolonie. Sonst wären wir schon jetzt dem Untergang geweiht gewesen, das hält uns vorläufig noch über Wasser.

Kirchweih, d. 25. 10. 31 

Sonnabend. Witterung: Kalt und regnerisch, das und die schlechte Wirtschaftslage - ein schlechter Geschäftsgang. Auch die Neustädter, die alle Jahre kamen, blieben aus. Infolge dessen fehlen 100 M. Einnahme. Am Sonntag klärte sich die Witterung auf, wurde aber kalt. Der Besuch ließ zu wünschen übrig. Die Esserei ging ganz schlecht, wieder hundert Mark weniger wie vorigtes Jahr. Montag: ein kalter Wind.

EinnameMAusgabeM
Sonnabend140Hölleins Bier 750 Liter à 35 M, ohne Nachkirchweih262
Sonntag4101 Schwein 180 Pfd. à 70 Pfg.126
Montag2507 Gänse à 7 M 50
von Fleischmann:
28 Pfd. Fleck à 40 Pfg.
20 Pfd. harte Wurst à 1 M
30 Pfd. Fleisch à 1 M
62
von Großmann:
12 Pfd. Schinken,
9 Pfd. Nierenbraten, Darm
30
Zigarren, Zigaretten Likör u.s.w. 120
Semmeln 13
Nachkirchweih 200270 Liter Bier à 35 Pfg.100
für Zigarren und Zigaretten30
sonstiges10
Summa1000Summa803

Überschuß rund 200 M, davon geht ab

  • 50 M Gemeindesteuer
  • 50 M andere Steuer und Bedienung
Reingewinn 100 M

So sieht nun der Abschluß aus. Gänse wären wir noch 1 oder 2 los geworden. Bratwurst hatten wir 5½ Schock. Am 1. Tag nur 20 Pfd. davon einigermaßen verkauft, am letzten sind sie doch noch weggegangen, waren beinahe zu viel. Fleck gingen ganz schlecht, desgl. auch der Schinken und Sauerbraten. Nierenbraten ging so mit Ach und Krach weg.
Nächstes Jahr, wer es erlebt und wir noch normale Zeiten haben, genügen 10 Pfd. Fleck, kein Großmannschinken und wenig Rindfleisch. Mit der Esserei wird überhaupt Geld darauf gelegt, weil es eben nicht geht und wo ein Geschäft nicht geht, wird nichts verdient. Sauerbraten will kein Mensch haben, ebenso kein Rindfleisch mit Meerrettich. Wer nächstes Jahr die Kirchweih hält, soll sich danach richten. An der Nachkirchweih gabs die meisten Leute, der Verein nahm über 100 M ein

Sonntag, d. 8. Nov. 31 

Ein schöner Morgen, war die ganze Woche schön. Kartoffelmist in die Heide gefahren und geackert. Heute Sonneberger Stadtratswahlen. Die Nazi haben 10 Sitze. Das Verhältnis ist 9 zu 12, also eine Rechtsmehrheit.

Sonntag, d. 29. 11. 31 

Meist regnerische Witterung die Woche über, sonst nichts von Belang, nur heute Kammerwahlen. 14 Nazi und 24 Landbund.

I. Weihnachtsfeiertag 31 

Nebliges Wetter und Glatteis. Im Betrieb war nicht viel los. Einnahme 36 M. Sonst das alte bekannte Bild. Die vorigte Woche war eine Schwurgerichtsverhandlung in Coburg, die mich sehr interessiert hat. Ein Oberstleutnant v. Brotterode, 63 Jahre alt, erschoß seine Frau, eine geborene v. Münchhausen, aus Bockstadt bei Eisfeld. Die Sachverständigen, 5 Ärzte, davon 2 aus Coburg, die anderen aus Nürnberg, Erlangen und Würzburg, stellten momentane Unzurechnungsfähigkeit während der Tat fest, infolge dessen wurde er freigesprochen.
Der Staatsanwalt hatte 2 Jahre Gefängnis beantragt. Die näheren Umstände waren recht interessant.

Sonntag, d. 27. 12. 31 

Wieder ein nebliger Tag . Der Turnvereinball gestern war nicht gut besucht. Unsere Einnahme 95 M. Die Stube war gut besetzt, aber im Saale fehlte es eben. Ich wunderte mich nicht darüber, wenn kein Mensch mehr ins Wirtshaus ginge, die Zeiten wären wirklich dazu angetan. Kein Mensch hat Arbeit. Der Arbeitslose hat kein Geld fürs Wirtshaus, der Bauer ebenso gut nicht, weil die Preise seiner sämtlichen Erzeugnisse den jetzigen Verhältnissen in keiner Weise angepaßt sind. Es bleibt nur der Beamte übrig, der noch ins Wirtshaus gehen kann. Das Ende des Jahres 31 paßt sich eben dem Anfang des Jahres 32 an. Was wird uns die Zukunft bringen?

   weiter...