Der Heubischer Viktor
Tagebuch des Landwirts, Metzgers und Schankwirts Viktor Walther aus Heubisch 
Einleitung

Die Jahre
1.März 1916
2.April 1916
3.Ostern 1916
4.Mai 1916
5.Juni 1916
6.Sommer 1916
7.Herbst 1916 / Das zweite Kriegsjahr
8.Weihnachten 1916
9.Winter 1917
10.Ostern 1917
11.Frühjahr 1917
12.Sommer 1917
13.Herbst 1917
14.Weihnachten 1917
15.Winter 1918
16.Frühjahr 1918
17.Sommer 1918
18.Herbst 1918
19.Weihnachten 1918
20.Winter 1919
21.Frühjahr 1919
22.Sommer 1919
23.Herbst 1919
24.Winter 1920
25.Frühjahr 1920
26.Sommer 1920
27.Herbst 1920
28.Winter 1921
29.Frühling 1921
30.Sommer 1921
31.Herbst 1921
32.Winter 1922
33.Sommer 1922
34.Herbst 1922
35.Winter 1923
36.Frühling 1923
37.Sommer 1923
38.Herbst 1923
39.Das Jahr 1924
40.Das Jahr 1925
41.Das Jahr 1926
42.Das Jahr 1927
43.Das Jahr 1928
44.Das Jahr 1929
45.Das Jahr 1930
46.Das Jahr 1931
47.Das Jahr 1932
48.Nachruf
Das Ende
Die Fortsetzung

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Sonntag, d. 13. 1. 18 

Die Woche über abwechselnd Schnee, Regen und Frost. Von der Müß etliche Schlitten Stöcke geholt.

Am politischen Himmel immer noch schwarze dunkle Wolken. Die Verhandlungen in Brest- Litowsk nehmen wieder ihren Fortgang. Trotzki ist auch anwesend. Der Meininger Herzog hat die Forderung des Landtages, das Domäneneinkommen zu besteuern, glatt abgelehnt, was im Lande große Aufregung hervorgerufen hat. Ein Fragezeichen für den Untertanenverstand: Das Volk muß Steuern zahlen bis zum Weißbluten!

Gestern zwei Schweine ins Haus geschlachtet à 1 Ztr.

Sonntag, d. 20. 1. 18 

Abwechselnd Frost, viel Schnee, Tauwetter, tüchtig Regen, infolge dessen kolossal Hochwasser eintrat, wie wir es selten noch hatten, das war das Witterungsbild vergangener Woche. Am Mittwoch stieg das Wasser von Stunde zu Stunde rapid, sodaß in der Vorstadt Maßnahmen getroffen wurden, das Vieh aus den Ställen zu tun. Zu allem Glück bekamen wir auf die Nacht zu tüchtig Wind, Nordost, und Frost, so daß das Wasser mindestens nicht weiter stieg, sondern allmählich fiel. Das neu umgeackerte Land im Wollngarten war ganz überschwemmt.

Die Verhandlungen in Brest-Litowsk gehen weiter. Die Sitzungen des Meininger Landtages waren diesmal recht interessant. Bei den Verhandlungen über die Besteuerung des Domäneneinkommens des Herzogs wurden die bürgerlichen Parteien wieder anderen Sinnes und traten auf die Hinterfüße. Über das Kirchengesetz gab es auch interessante Momente, ersichtlich nur den Zeitungen. Von Alfred bekamen wir eine Karte, von Adolf einen Brief. Jetzt ½ 10 Uhr prächtiger Sonnenschein.

Dienstag, d. 29. 1. 18 

Gestern Kaisersgeburtstag. Vom Feiern hört man recht wenig. Der politische Himmel ist eben zu grau. Die Menschheit kümmert sich wenig mehr um solche Feste, wenn nicht Lehrer Joch, Mupperg, mit seinen Kindern einen kleinen Rummel los läßt. Graf Hertling und Graf Czernin je eine Friedensrede gehalten als Antwort auf die Reden von Lloyd George und Wilson.

Die Friedensverhandlungen mit Rußland rücken nicht von der Stelle. Von Alfred eine Karte. Adolf hat ein Bandmaß und Tabak aus Italien gesandt.

Die Witterung ist heute prächtig, die Woche über auch meistens schön, die Mücken spielten im Sonnenschein, Vormittag 11 Uhr. Nachmittag 1 Uhr gehe ich mit Barnicol und mehreren in die Müß, um Stöcke zu graben.

Sonntag, d. 3. 2. 18 

Vergangenen Mittwoch setzten die Streikbewegungen über ganz Deutschland ein. In Berlin allein streikten 400 000 Mann, natürlich alles von der Kriegsindustrie. Was wird das werden? England freut sich königlich, glaubt den Zusammenbruch der Mittelmächte bevorstehend.

Vorgestern 2 Schinken an Reinhard verkauft, 19 ¼ Pfd. schwer, Sa. 192 M 5O Pf. Das Pfd. Mehl wird von Hamsterern mit 1 M 6O Pf. bezahlt.

Sonntag, d. 10. 2. 18 

½ 9 Uhr früh. Ein schöner Morgen. Die letzten Tage hat es geregnet. Der Streik ist wieder abgeflaut und jetzt vollständig beendet. Der Krieg geht lustig weiter. Vergangene Nacht soll mit der Ukraine Frieden geschlossen worden sein. Mit dem übrigen Rußland scheint es aber nichts zu werden. Trotzki hält uns nur zum besten und übt im Lande nur eine Gewaltherrschaft aus, wie dieselbe nicht übler gedacht werden kann.

Von Alfred diese Woche 2 Karten erhalten. Im Laufe der Woche gab es wieder recht viele Leute aus der Stadt und vom Walde, die nach Kartoffeln barmten. Es wird ein böses Frühjahr.

Fastnacht, d. 12. 2. 18 

Heute ein nebliger Tag, eine regnerische Fastnacht gewesen. Früh waren wir in der Müß und haben Stöcke gegraben und Nachmittags war ich in Oberlind und wollte den Müßgarten von Nicol Rebhan kaufen. Aber siehe da, es war nichts, derselbe war eben nicht feil.

Gestern früh kam die Nachricht:

" Friede mit Rußland."

Hoffentlich bringt der Friede recht bald den Austausch unserer Gefangenen. Für uns wäre es sehr erfreulich.

Sonntag, d. 17. 2. 18 

"Friede mit Rußland?"

Es hat sich leider nicht bewahrheitet. Trotzki spielte nur seinen letzten Trumpf aus und schickte unsere Friedenskommission wie blamierte Holländer nach Hause. Die ganze Verhandlung war russischerseits nur ein Bluff. Trotzki erklärte: der Krieg wäre für sie zu Ende, es wäre der Befehl zur Demobilisierung der ganzen Armee gegeben. Friedensvertrag wird keiner unterzeichnet, erst zu Ende des allgemeinen Krieges. Also schlau, er behält sich freie Hand vor. Sonst auf dem Kriegsschauplatz nichts neues. Von Adolf Nachricht, daß er verschoben worden ist, wohin schrieb er nicht. Alles ist in Spannung, was nun kommen wird. Albin ist heute Morgen wieder abgereist.

Militärische Lage: Die deutschen Truppen im Osten sind auf dem Vormarsch in Kur- und Estland, um die deutsche Bevölkerung zu schützen. Die vereinzelten russischen Truppen leisten wenig Widerstand. Wohl infolge dieses Druckes hat die russische Regierung wieder eingelenkt und einen Kurier nach Berlin gesandt. Vergestern hat er die deutschen Linien passiert. Die Urkunde ist von Lenin und Trotzki unterzeichnet. Die deutsche Antwort wird erst beraten. Wie die Zeitungen schreiben, haben unsere Kriegsgefangenen dort viel auszustehen und sind den größten Leiden und Gefahren ausgesetzt.

Die Witterung war die Woche über meist trüb, windig und regnerisch. Am Freitag wurde Tittels Ziegelei öffentlich verstrichen (versteigert) und kam auf 16 000 M. Sparkasse Sonneberg erstand dieselbe. Die Kasse hatte 33 000 M erste Hypothek darauf, zusammen waren es 76 000 M, wahrscheinlich wird die Ziegelei abgebrochen. War heute ein recht gemütrlicher Sonntag. Abends 11 Uhr anwesend: Bruno Kessel, Schwarz, Emil, Louis, Bätz, Flor., Scheurichs Frieder, Heymann u.s.w. Ja, ja, wohl gemütlich, aber geschäftlich eben nichts los. Das Bild des Tages.

Sonntag, d. 3. 3. 18 

In diesen Tagen arbeitete die Aufnahmekommission für Getreide, Heu und Stroh hier. Gestern waren sie bei uns. Korn haben wir 2,40 Ztr. und Gerste abzugeben. Heu und Stroh, auch Hafer nichts. Heute arbeiten sie in der Vorstadt.

Die Witterung heute kühl, doch etwas Sonnenschein, die Woche über war's recht garstig, so daß man sich mehr im Hause beschäftigt hat.

Kriegslage:
Unsere Truppen sind schon weit in Rußland vorgedrungen, sie können nicht mehr weit von Petersburg sein . "Doch mit des Schicksalsmächten ist kein ew'ger Bund zu flechten", Japan rüstet sich zum Streite und will es nicht leiden, seine Truppen sollen schon gelandet sein und in Sibirien einmarschieren. Im Westen scheut sich jeder, die Offensive zu ergreifen. Alfred können wir jetzt nichts senden, eine Kiste haben wir zurechtgemacht, doch das Rote Kreuz in Coburg und auch in Meiningen nimmt sie nicht an, es ist alles nach Rußland gesperrt. Die Friedenskommissionen arbeiten wieder in Brest-Litowsk und auch in Budapest.

Dienstag, d. 5. 3. 18 

Gestern wurde endlich einmal der Frieden mit Rußland abgeschlossen und mit Rumänien soll er am Werke sein. Wenn die Sache nur Bestand hat, dann wäre es schon recht. Den größten Jubel werden unsere Gefangenen haben. Hoffentlich geht das gegenseitige Umtauschen recht bald vonstatten.

Heute ein großartiger Frühlingstag. Waren gestern und heute in Mupperg zur Heu-, Stroh- und Getreideaufnahme, auch morgen noch einmal.

Freitag, d. 8. 3. 

Abends 7 Uhr. In Brest-Litowsk ist am Sonntag Nachmittag der Frieden zwischen dem Viererbund und der russischen Regierung geschlossen und unterzeichnet worden. Die Zeitungen schreiben: "Die große Tragödie des Ostens endet wie eine Posse. Noch nie ward in solcher Laune Friede geschlossen. Sonst hat der geschlagene Gegner im zähen diplomatischen Ringen zu retten versucht, was nur zu retten ist. Hier ist nach langem Sträuben dem Sieger mit fas höhnisch wirkender Bereitwilligkeit alles in den Schoß gefallen, was er verlangt hat. Nun greift nur zu und seid nicht blöde. Und blöde, d.h. schüchtern ist die mittelmächtige Diplomatie keineswegs gewesen. Sie hat die weltpolitische Konjunktur ausgenutzt, wie nur ja eine Hausfrau am Ausverkaufstag eines Warenhauses und mit überfüllter Markttasche kehrt sie heim. Freilich, wer nicht bloß an den Augenblick denkt, der muß sich sagen:
Was wird daraus?
Zunächst folgt doch immer eine ingrimmige Feindschaft, die aus dem Krieg in den Frieden hinübergetragen wird, und gerade jene Schicht des russischen Volkes, die sich hier vor kurzem noch als das internationale völkerverbindende Element gefühlt hat, trägt diesen Groll am stärksten, erhofft die Befreiung vom Druck des deutschen Imperialismus, nur nicht von einer Anstrengung der nationalen Kräfte, sondern von der internationalen Revolution.
"

Sonntag, d. 10. 3. 18 

Gestern, Sonnabend, wurde an 4 Tischen gekartet und ein Faß mit 32 Lit. Bier verschänkt. Eine Ausnahme, die schon lange nicht mehr vorkam. Das Bier kostet vor der Hand noch 17 Pf. 4/10-Zigarren gibt es eigentlich nicht mehr, die billigsten 35 Pf. und Zigaretten 10 Pf. Gestern ein Paar Hausschuhe von Zeidler für 14 Mark gekauft, waren billig.

Die Witterung war die Woche über doch so halbwegs, so daß wir den Hof in Ordnung brachten und ein Fuder Streu machten.

Die russische Landkarte zeigt jetzt folgendes Bild: Unsere Grenze geht jetzt Ukraine, Polen, Kurland, Estland, Livland und Finnland mit den Alandsinseln, was von schwedischer Seite als unerwünscht betrachtet wird. Petersburg liegt direkt an unserer Grenze, sodaß Rußland den Regierungssitz nach Moskau verlegt hat. An der Westfront beginnen so allmählich die Kämpfe.

Sonntag, d. 17. 3. 18 

Witterung: Montag, Dienstag und Mittwoch das allerschönste Frühlingswetter, Donnerstag kalt und windig, am Freitag noch kälter, sodaß ich mit Überzieher Gerstenfeld geackert habe, sonst die Woche über jeden Tag im Feld geschafft. Heute wieder prächtiger Sonnenschein, die Nacht sehr kalt. Im Westen Kämpfe. Odessa von unseren Truppen besetzt. Von Adolf gestern etliche Briefe erhalten. In Coburg sind wieder Lazarettzüge einpassiert.

Baß Louis ist diese Woche entlassen worden, er kam direkt aus dem Schützengraben. Heute Abend an drei Tischen gekartet.

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