Weihnachtsheiligabend: Stürmische kalte Witterung. Seit gestern ohne Bier. Stahn gab uns Nachricht, daß er auf die Feiertage kein Bier sendet. Was der Krieg doch nicht alles mit sich bringt, also die Feiertage über ganz ohne Bier. Wir glaubten, Schilling und Knauer könnten uns aushelfen. Haben aber selber keines. Werden ruhige, sehr langweilige Feiertage werden, mit was die Zeit vertreiben? Schreiben? Es wird einem ganz verleidet. Kirche gehen? Zu was, warum?
Dieser schreckliche Krieg, dieses scheußliche Morden hat doch jegliches Gefühl von Religion bei einem vernünftig denkenden Menschen vertilgt.
Wie machtlos, wie schwach ist doch die Kirche mit all ihren schönen Worten und Lehren - wie "Liebe deine Feinde wie dich selbst", "Friede auf Erden", "Eine Herde und ein Hirte" u.s.w.- diesem scheußlichen Morden gegenüber. Der Christenheit Oberster, der Papst, was kann er dagegen machen? Nichts, aber auch garnichts. Ruhig schreiten die Großen dieser Erde, die Anstifter dieses blutigen Krieges, mit kaltlächelnder Miene über die Leichen. Schmach und Schande über dieses heuchlerische Christentum.
I. Weihnachtsfeiertag 1916 |
Heute etwas gefroren, auf Mittag zu Schneetreiben. Sonst recht ruhig. Ein paar Fäßchen Bier von Linder, Harras, bekommen. - Zum dritten Mal begehen wir das Weihnachtsfest, das hohe Fest der Menschenliebe, inmitten wilden Völkermordens, und wieder wird die Versicherung der deutschen Friedensbereitchaft von unseren Feinden zurückgewiesen mit der allen menschlichen Empfindungen hohnsprechenden brutalen Antwort: Krieg bis zum äußersten. Kann es da wundernehmen, wenn die Weihnachtsbotschaft, nicht allein von denen, die um einen teueren Toten trauern, sondern überall in den Herzen wie eine grausame Ironie auf das grauenvolle Kriegswüten in der Gegenwart empfunden wird. Zum Weihnachtsfest hat auch Präsident Wilson die Welt mit einer Friedensnote beglückt, was von den deutschen Zeitungen allgemein mit Genugtuung begrüßt wird, hingegen die englischen Zeitungen heftig dagegen protestieren.-
Die feiertägige Ruhe bringt die Gedanken mehr als sonst zu den Lieben draußen vor den Feinden oder in feindlichen Ländern, besonders Alfred. Wie wird er im fernen Zentralrußland sein Weihnachten feiern?
|